Tetanus gibt es bei Verletzungen, bei denen Gewebeteile zerstört
werden. Nicht alle Wunden führen zu Tetanus, worauf schon August Bier
hingewiesen hat. Im Laufe des ersten Weltkrieges vollzog sich ein Wandel
in der chirurgischen Wundversorgung. Anfangs wurden die Wunden meist
einfach verschlossen. Später legte man Wert auf die Wundexzision
(Ausschneidung) und die Entfernung nekrotischer (abgestorbener)
Gewebsteile.Tetanus kann durch eingedrungene Holzsplitter auftreten. In
der Umgebung des eingedrungenen Holzkeils entstehen durch Druck Nekrosen
im betroffenen Gewebe. Maresch und Klingenberg hatten dies bei
zahlreichen Obduktionen von Menschen, die an Tetanus verstorben waren,
beschrieben. Aber auch andere, selbst harmlose Wunden können Tetanus
auslösen.Tetanus kann aber auch bei Traumen ohne offene Wunden
entstehen. Hellner behauptet sogar: „Der Nichtkenntnis, dass auch ohne
Wunde, gerade bei Schaffung anaerober Bedingungen Wundstarrkrampf droht,
ist der Tod von tausenden Soldaten zuzuschreiben.“ Strick stellte fest,
dass bei gleichzeitigem Bluterguss eine um 500-fach geringere Zahl von
Klostridien im verletzten Gewebe war als bei Quetschungen ohne
Hämatombildung. Tetanus entsteht offenbar nur in Wundregionen, die wenig
Sauerstoff enthalten.
Ein kaum beachtetes Faktum tritt hier
zutage, über das wir nachdenken müssen: Wo kommen denn bei nicht offenen
Wunden die Tetanusbazillen her? Es heißt ja, dass diese Klostridien von
außen mit verschmutzter Erde in die Wunde eingebracht werden? Da gibt
es auch noch den Tetanus puerperalis, den Wundstarrkrampf der
Wöchnerinnen und den Wundstarrkrampf nach Abortus. Nicht so selten sind
Fälle von Tetanus nach Bauchoperationen beschrieben. In all diesen
Fällen kommen die Tetanusbazillen nicht von außen. Hier meint man das so
erklären zu können, dass Klostridien, die normalerweise zur
physiologischen Darmflora gehören, infolge der Operation auf die
eröffneten Wundränder gelangen. Es ist aber kaum denkbar, dass die
Chirurgen bei ihrer Arbeit Darminhalte einfach so verbreiten. Tetanus
tritt nämlich auch nach Operationen an weiblichen Genitalorganen und
nach Entbindungen durch Kaiserschnitt auf. Um den Leser dieses Artikels
nicht in Angst vor künftigen Verletzungen jeder Art zu versetzen, möchte
ich hier erwähnen, dass die Erkrankungen an Tetanus bei uns in den
letzten Jahrzehnten allmählich und beständig zurückgegangen sind. In
Österreich gab es in den letzten zehn Jahren bei Erwachsenen nur mehr
einen Todesfall durch Tetanus. Bei Kindern liegt das sogar über 30 Jahre
zurück. Diese Tatsache wird am Ende dieses Artikels noch interpretiert
werden.
Klostridien
Kehren wir noch einmal zur Wunde
und den Tetanusbazillen zurück. Es wird oft behauptet, dass bereits ein
einziger Tetanus-Bazillus, der in die Wunde gelangt, genügt, um eine
Tetanuserkrankung auszulösen. Dieser Bazillus könne sich rasch vermehren
und mit seinem Gift den Organismus überschwemmen. Es hat sich aber
herausgestellt, dass diese Erreger im gesunden Gewebe keinen Tetanus
verursachen. Vaillard und Rouget konnten bei Versuchen an weißen Mäusen
trotz Injektionen von erheblichen Mengen an Tetanusbazillen keinen
Tetanus erzeugen. Erst nachdem sie eine Gewebsschädigung erzeugt hatten,
trat Tetanus auf.Wir kennen eine Reihe von Krankheiten, bei denen diese
Art der Bakterien, die wir Klostridien (altgr. kloster bedeutet
„Spindel“) nennen, eine große Rolle spielt. Alle diese Klostridien haben
also ein ähnliches Aussehen und erfüllen ganz spezifische biologische
Aufgaben. Wir finden sie nämlich bei Krankheiten, bei denen Gewebe
abstarb und gleichzeitig sauerstoffarmes Milieu vorherrschte. Es sind da
C. perfringens beim Gasbrand, C. histolyticum bei Sepsis, C. botulinum
bei Botulismus (Wurstvergiftung), C. difficile bei schweren
nekrotisierenden Darmkatarrhen infolge von Antibiotikabehandlung.Es ist
offensichtlich, dass hier die Erreger dieser Krankheiten nicht die
Ursache, sondern die Folge von Schädigungen durch andere Noxen sind.
Diese Keime erfüllen beim Abbauprozess von zerstörtem Gewebe eine
wichtige Funktion. Sie verbreiten sich auch nicht im übrigen Körper,
sondern sind nur im betroffenen Wundgebiet nachzuweisen. Wenn diese
Gewebsteile abgebaut sind, lassen sich diese Mikroben nämlich nicht mehr
finden. Wir können also mit Recht von Gesundheitserregern sprechen.
Wenn diese Gewebsteile abgebaut sind, lassen sich diese Mikroben nämlich nicht mehr finden.
Zuerst erfolgt also eine Schädigung durch ein Trauma, durch Stich,
Prellung oder Quetschung, wodurch Gewebe nekrotisch wird. Bestehen gute
örtliche Kreislaufverhältnisse, so werden diese „Leichenteile“ vom
Organismus ohne wesentliche Gefahr für den Körper im Laufe einer
Entzündung abgebaut und entgiftet . Ist der Stoffwechsel des verletzten
Menschen aber geschwächt und die Wundregion schlecht versorgt, müssen
anaerobe Bakterien, also Keime, die nur im sauerstoffarmen Milieu
vorkommen, diesen Reparaturprozess vorbereiten. Unter diesen anaeroben
Bedingungen entstehen biogene Amine, wozu das Tetanustoxin gehört.Es
wird oft behauptet, Tetanusbazillen können sich in Sporen zurückbilden.
In nicht ausgeheilten Wunden könnten dann aus diesen Sporen jederzeit
aktive Tetanuserreger werden. Eine solche Interpretation biologischer
Prozesse ist wohl auf die noch mangelhaften technischen
Darstellungsmöglichkeiten des 19. Jahrhunderts zurückzuführen. Sporen,
als Bestandteile von Gartenerde, sind zwar mit dem Lichtmikroskop zu
sehen. Die Frage, woher diese Sporen stammen, kann das Mikroskop
allerdings nicht beantworten. Bakterien bauen bekanntlich die
Pflanzenzellen auf. Es ist aber kaum denkbar, dass sich Pflanzenzellen
in Bakterien und diese sich wiederum in Sporen verwandeln. In der
Gartenerde befinden sich nekrotische Reste von kleinen Tieren, Insekten,
Spinnen etc. Auch hier gibt es zahlreiche Klostridien infolge der
anaeroben Verhältnisse. Selbst wenn die an Klostridien reiche Erde in
die Wunde gelangt, entwickelt sich nur dann ein schwerer,
generalisierter Tetanus, wenn die Blutversorgung des betroffenen
Menschen sehr mangelhaft ist. Bei gesunden Menschen setzt dank der guten
Sauerstoffversorgung ein unkomplizierter Wundheilungsprozess ein.
Wer erkrankt eher an Tetanus?
Der Chirurg Rathke äußert sich dazu sinngemäß so: Die
Wundstarrkrampferkrankung ist in der „Friedenschirurgie“ relativ selten.
In der Tat sind im Laufe der Geschichte besonders die Soldaten diesem
Leiden zum Opfer gefallen. Unter den Erwachsenen sind besonders die
Landarbeiter von Tetanus betroffen. Bis zur Mitte des zwanzigsten
Jahrhunderts waren auch nicht wenige Kinder daran erkrankt. In den
Entwicklungsländern gibt es auch heute noch viele Tote durch Tetanus,
insbesondere durch den Tetanus neonatorum, den Wundstarrkrampf der
Neugeborenen. Bis 1950 soll in China jedes sechste Kind daran verstorben
sein.Wunden, die stark bluten, gelten als weniger gefährlich. Sicher
ist, dass kräftige, gesunde Menschen nach Traumen heftiger bluten als
geschwächte und kranke Menschen.Die vorherrschenden Lebensbedingungen
nehmen einen wesentlichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Wir müssen
uns vorstellen, welche Bedingungen im Krieg herrschen: übermenschliche
Strapazen, Aushungerung, keine Pflege der Kranken, im Gegenteil, trotz
Verletzung und Erschöpfung weiterhin körperliche Überanstrengungen und
ungenügende ärztliche Versorgung der Verwundeten. In gewisser Weise traf
das noch vor wenigen Jahrzehnten auch auf die Landbevölkerung zu. Zur
ständigen körperlichen Überanstrengung kam der Umstand, dass es für
Bauern keine Krankenversicherung gab und sie auch nicht in Krankenstand
gehen konnten.
Warum die Impfung gegen Tetanus nicht schützen kann 1.
Warum die Impfung gegen Tetanus nicht schützen kann 3.
Zusammenfassung
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